Gedanken über Selbstfindung und Selbstverwirklichung
Dieses Jahr ist bei mir schon viel passiert. Dass das Leben nicht immer eine gerade Linie ist, sondern ein ständiges Auf und Ab, durfte ich in letzter Zeit besonders intensiv lernen. Das Leben Mitte 20 ist überfordernd, aufregend, aber vor allem befreiend.
Ich lerne grade ganz viel über mich selbst, wer ich bin und wer ich sein möchte. Im Berufsleben habe ich zwar schon Fuß gefasst, aber so richtig erwachsen fühle ich mich immer noch nicht.(Warum wissen gefühlt alle, was sie wollen und wer sie sein möchten, nur ich nicht? Oder tun alle nur so als ob? Fühlt sich so erwachsen sein/werden an?)
Eine ganze Zeit lang war ich mir eigentlich ziemlich sicher, was ich möchte und was ich noch so vor habe, aber das hat sich geändert. Ich hatte die typischen Gedanken wie Karriere machen, heiraten, Kinder kriegen, vielleicht ein Haus kaufen, eben „erwachsen werden“- so wie es halt alle in meiner Familie und in dem kleinen Dorf, aus dem ich komme, machen. Also bin ich mit voller Überzeugung in dieses Leben gestartet, was eigentlich hauptsächlich erstmal nur aus Arbeiten, Haushalt und völliger Erschöpfung bestand.
Ich war letztes Jahr dann so unzufrieden mit meinem (Arbeits-)Leben (wer hätte das gedacht, haha), dass ich entschieden habe ab diesem Jahr weniger zu arbeiten. Und was soll ich sagen? Endlich mehr Zeit für mich selbst, war genau was ich gebraucht habe und was mir gut tut. Mehr Zeit für Lesen, für neue Hobbies wie z.B. stricken und Yoga, es fühlt sich so an als hätte ich mein Leben wieder selbst in der Hand. Denn seien wir mal ehrlich, in 12 Jahren Schule, 3 Jahren Ausbildung und dann direkt 3 Jahren Festanstellung, bleibt kaum Zeit für Selbstfindung und Selbstverwirklichung.
Soweit, so gut. Aber wieso möchte ich diese Dinge, dieses vorbestimmte Leben auf einmal nicht mehr? Ich glaube es hat damit angefangen, dass ich eine ungesunde (Freundschafts-) Beziehung beendet habe, in der weder meine Grenzen noch meine Gefühle respektiert wurden. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich meinen Inneren Frieden verteidigt und meine persönlichen Grenzen laut ausgesprochen. Als „people pleaser“ eine echte Herausforderung. Aber ich habe es getan, ich kann es nicht rückgängig machen und ganz ehrlich, ich will es auch nicht rückgängig machen.
Ich glaube es hat sich noch nie etwas so befreiend angefühlt, wie für mich selbst einzustehen. Und nach der ersten „Befreiung“ folgte das Gedankenchaos. Zu realisieren, dass nur ich selbst für mein eigenes Glück verantwortlich bin und tatsächlich ALLE Entscheidungen selber treffen darf und muss, war wie ein Schlag ins Gesicht. Zu lange habe ich mich von der Meinung anderer abhängig gemacht.
Aber wer bin ich, wenn keiner hinschaut?
Wer bin ich ohne diese Leute, ohne die Erwartungen und ohne das „people pleasing“?
Ich habe das Buch „Café am Rande der Welt“ von John Strelecky gelesen, in dem es um die Frage nach dem Zweck der Existenz geht und seitdem ist nichts mehr wie es war. Natürlich habe ich keine Ahnung welchen Zweck ich auf dieser Erde erfülle, also versuche ich das herauszufinden.
Durch die zusätzliche Zeit, da ich jetzt weniger arbeite, habe ich das Lesen wieder lieben gelernt. Vielleicht gefällt es mir auch nur deshalb so gut, weil ich für einen Moment der Realität entfliehen kann, ein ähnliches Gefühl, dass ich auch beim Musik hören habe. Und auch wenn ich nicht weiß, was mein Zweck der Existenz ist, habe ich mir vorgenommen, mehr von dem zu machen was mir gut tut und da steht lesen, neue Bücher finden und meinen tbr (to be read) Stapel zu erweitern ganz weit oben auf der Glücksskala. Ich überlege jetzt auch mal Buchrezensionen zu schreiben, mal sehen was daraus wird. Ich weiß jetzt schon, dass viele Menschen auf diesem Planeten, deutlich mehr Bücher lesen, aber warum sollte ich als Slowreader nicht trotzdem meine Gedanken aufschreiben dürfen?
Wer sagt mir was ich kann und was ich nicht kann? Genau diese Frage, führt bei mir immer mehr dazu alles, wirklich ALLES, zu hinterfragen.
Es ist aufregend, sich die ganzen Möglichkeiten vor Augen zu führen. Vielleicht möchte ich nochmal umziehen, eine Weltreise machen, einen neuen Beruf lernen? Neue Leute kennenlernen, neue Hobbies ausprobieren und über meinen Tellerrand hinausschauen? Heute ist ein Tag an dem ich total euphorisch und total inspiriert bin. Ein Tag an dem die Möglichkeiten unendlich erscheinen (was vielleicht auch am übergroßen Kaffee liegt, den ich mir eben im Café bestellt habe). An anderen Tagen überwiegt die Angst, die Überforderung. Das Gedankenchaos nimmt zu mit Wenns und Abers. Die Möglichkeiten scheinen nicht mehr nur unendlich zu sein, sondern lassen mich eher wie eine winzige Schildkröte mitten im großen Ozean zurück. Jeder sehnt sich doch ab und an nach Sicherheit, Routinen, Struktur und nach jemandem, der einen den Weg zeigt. Und das ist okay. Es ist okay sich verloren vorzukommen, nicht genau zu wissen, wo die Reise hingeht und es ist okay auch seine Meinung zu ändern. Ich glaube, dass es viele Menschen da draußen gibt, die sich so fühlen, aber keiner traut sich das zuzugeben.
Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als über meinen Tellerrand zu schauen. Also versuche ich das Beste daraus zu machen. Denn was ist noch schlimmer als dieses Gefühl verloren zu sein? Es ist das Gefühl stehen zu bleiben, sich nicht weiter zu entwickeln und am schlimmsten: Irgendwann zu bereuen nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, die mich hätten glücklich machen können. Zu bereuen, dass ich nichts unternommen habe um herauszufinden, wie ich glücklich werde und mein Glück immer nur von der Meinung anderer abhängig gemacht habe. Passend dazu dröhnt der Song „Could Have Been Me“ von The Struts auf meinen Ohren. Hier mal ein kleiner Lyrics Ausschnitt, denn wenn ich könnte, würde ich den Song hier an dieser Stelle einfügen wollen oder in einem Buch als kleine Annotation vermerken.
Also versuche ich offen zu sein. Offen für Neues, neue Möglichkeiten, Dinge über die ich noch nie nachgedacht habe, neue Hobbies, neue Geschichten, neue Menschen. Und ich starte heute und hier damit diese Gedanken aufzuschreiben, denn es fühlt sich schon verdammt richtig an in einem Café zu sitzen und zu schreiben. Mein Gehirn rattert, ich habe so viele Ideen. Ich starte mit den Dingen, die sich momentan gut und richtig anfühlen. Bücher lesen, darüber sprechen, neuen bookstagram Kanälen folgen, Buchrezensionen schreiben und vielleicht sogar meinem ersten Buchclub beitreten. Ein Hoch auf das Internet!
Hattet ihr schonmal ähnliche Gedanken? Habt ihr schonmal alles komplett überdacht und euch gefragt was euch glücklich macht? Wenn nicht- gute Nachrichten, es ist nie zu spät dafür!